Konkretes Beispiel für die Reduktion der Richtwerte gemäss Ziffer 9.4 der VSS-Norm SN 640 281
Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 24. März 2023
In einem Urteil vom 3. März 2021[1] hat das Kantonsgericht Freiburg entschieden, dass bei der Berechnung der Anzahl Parkplätze für ein Wohnhaus jeweils der höhere ermittelte Wert nach Ziffer 9.1 der VSS-Norm SN 640 281 zur Anwendung gelangt.
Das Baubewilligungsgesuch, welches zu diesem Entscheid geführt hat, hat das Kantonsgericht Freiburg ein zweites Mal beschäftigt, wobei dieses Mal die Frage strittig war, ob sich im konkreten Fall eine Abweichung vom höheren nach Ziffer 9.1 der VSS-Norm SN 640 281 ermittelten Richtwert gerechtfertigt war, wie dies von der Vorinstanz angenommen worden war.[2]
Konkret ging es um die Bestimmung des Parkplatzbedarfs für zwei Bauvorhaben auf zwei aneinandergrenzenden Grundstücken. Die Vorinstanz hatte den Parkplatzbedarf gesamthaft, d.h. für beide Bauvorhaben gemeinsam bestimmt, was vom Kantonsgericht trotz der Rügen des Beschwerdeführers nicht beanstandet wurde.[3]
Mit Hinweis auf Ziffer 10.4 der genannten VSS-Norm ging die Vorinstanz davon aus, dass bei der Berücksichtigung spezieller örtlicher Verhältnisse im Sinne von Ziffer 9.4 der Norm die Erschliessungssituation ein wichtiges Kriterium darstelle. Unter Berücksichtigung der zentralen Lage des Bauvorhabens, dessen ausgezeichnete Anbindung an den öffentlichen Verkehr sowie die Nähe zu Dienstleistungen gelangte die Vorinstanz sodann zum Schluss, dass das Bauvorhaben unbestrittenermassen dem Standorttyp C zuzuordnen sei, für den eine Bandbreite des Parkfeldangebots von 50 % bis 80 % der Richtwerte vorgesehen sei.[4] Sodann hielt die Vorinstanz fest, dass der Personenwagenbestand und damit die Parkplatznachfrage massgeblich von der Grösse der Wohneinheiten bzw. der Haushalte anhänge. Im zu beurteilenden Fall handelte es sich bei 16 der 19 Wohneinheiten des einen Bauvorhabens um Studios und von den 24 Wohnungen des anderen Bauvorhabens waren deren sechs als kleinere Wohnungen (2.5-Zimmer) geplant. Gestützt auf diese Elemente erachtete die Vorinstanz eine Reduktion der Richtwerte für die Wohnnutzung auf 70 % als gerechtfertigt.[5]
Diese Berechnung ist gemäss den Ausführungen des Kantonsgerichts Freiburg nicht zu beanstanden. Das Kantonsgericht hielt ausdrücklich fest, dass der vorinstanzliche Schluss, wonach der Personenwagenbestand und damit die Parkplatznachfrage massgeblich von der Grösse der Wohneinheiten bzw. der Haushalte einerseits und der Erschliessung an den öffentlichen Verkehr andererseits abhängen, ohne Weiteres einleuchten würde und mit Ziffer 9.4 der VSS-Norm SN 640 281 vereinbar sei.[6] Ebenso wenig beanstandete das Kantonsgericht die vorinstanzliche Reduktion des Richtwerts des Parkplatzbedarfs für die Wohnnutzung um 30 %.[7]
[1] Urteil KG FR 602 2020 106 vom 3. März 2021
[2] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023
[3] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023 E. 4.4
[4] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023 E. 5.1
[5] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023 E. 5.1 und 5.4
[6] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023 E. 5.4
[7] Urteil KG FR 602 2022 199 vom 24. März 2023 E. 5.6
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